Wir fuhren am 29. September kurz nach 9 Uhr mit zwei Bussen vom Jenaer Busbahnhof ab. Es war ruhig und manche spielten Karten, lasen oder hörten Musik. Um 16 Uhr passierten wir den Grenzübergang zu den Niederlanden. Es kam uns so vor, als ob die Niederlande nur aus Gewächshäusern und Kanälen bestehen würden. Abendbrot aßen wir in Rotterdam. Je näher wir dem Hafen kamen, desto lauter wurde es im Bus – viele waren aufgeregt, weil sie zum ersten Mal mit einer Fähre fuhren.
Im Hafen von Hoek van Holland machten wir eine Pause. Der Wind war sehr stark. Um 20.30 Uhr liefen wir an Deck der „Stena Europe“, eines Fährschiffes, das sehr komfortabel und groß war. Die Busse wurden im Bauch des Schiffes verladen. Die Kabinen waren sehr klein. Viele liefen sofort an Deck, nachdem sie ihr Gepäck dort verstaut hatten. Das Schiff legte pünktlich um 22 Uhr ab. Dann mußten wir in unsere Kabinen. Als die Fähre den Hafenbereich verlassen hatte, machte sich ein starkes Schwanken bemerkbar. Am nächsten Morgen war auf den Gängen der Fähre sichtbar, daß manchen der starke Wellengang auf den Magen geschlagen hatte …
Die Fähre legte um 7 Uhr in Harwich an. Unsere Uhren hatten wir schon umgestellt, die Busfahrer mußten sich auf den Linksverkehr umstellen. Das gelang ihnen recht gut. In einer Gaststätte in Harwich bekamen wir zum ersten Mal „English breakfest“. Danach folgte eine langweilige Fahrt quer durch England. Viele hatten auf der Fähre nicht gut geschlafen, dafür schliefen sie jetzt. Sie haben auch nicht viel verpaßt: es gab Kuhweiden, Steinmäuerchen, Baumgrüppchen und – wieder Kuhweiden zu sehen. Nottingham, wo einst Robin Hood gehaust haben soll und wo der große Sherwood Forest war, ist jetzt eine Großstadt, umgeben von – Kuhweiden. Die vielen Kühe führen ein gesundes Leben und sehen nicht so aus, als ob sie ungenießbar wären …
Um 14 Uhr erreichten wir die Jugendherberge Hartington Hall, ein altes Haus, umgeben von – na ihr wißt schon: Kuhweiden.
Am nächsten und auch an den darauffolgenden Tagen gab es ein reichhaltiges Frühstück und Abendbrot. Wir machten uns mit Händen und Füßen verständlich, Englisch zu sprechen getrauten sich nur wenige. Am 1. Oktober hatten wir ein Konzert in der Kathedrale von Ely, einem Städtchen in Ostengland. Diese Kathedrale ist ein beliebtes Touristenziel und die Besucher betrachteten unseren Gesang wohl als nettes Beiwerk zu ihrer Besichtigung. Sie kamen und gingen, wie sie wollten. Überhaupt hatten wir bei unseren insgesamt drei Konzerten wenig Besucher. Das lag vielleicht auch daran, daß es immer um die Mittagszeit und an Wochentagen, so daß die meisten Einwohner der Konzertorte auf Arbeit waren. Von Ely aus fuhren wir nach Cambridge, wo wie einen einstündigen Stadtbummel machten. An diesem Tag hatten wir keine Zeit, um in der Jugendherberge noch Fußball zu spielen oder anderes. Das zweite Konzert fand am nächsten Tag in Chester statt. Das ist eine malerische, mittelalterliche Stadt, die auf römischen Fundamenten erbaut wurde. In Chester gibt es viele Fachwerkhäuser und eine zweigeschossige Ladenstraße, deren Erdgeschoß noch römisch ist.
Typisch für die englische Architektur sind Häuser aus Fachwerk, Natursteinen oder rotem Backsteingemäuer. Typisch für das englische Wetter sind angeblich Regen und Kühle, aber während unserer Fahrt haben wir Schirme und Regenjacken gar nicht gebraucht.
Auf den abendlichen Heimfahrten zur Jugendherberge begannen wir immer kurz vor dem Ziel damit, verschiedene Kanons durcheinander zu singen. Ein Wunder, daß der Busfahrer nicht ausgestiegen ist …
Auch bei Konzerten haben wir schon besser gesungen, aber mit berühmten englischen Knabenchören wollten wir uns ja sowieso nicht vergleichen. Herr Puschbeck war trotzdem nicht sehr zufrieden.
Der letzte Tag in England begann mit einer Busfahrt nach Birmingham, wo das letzte Konzert stattfand und endete an Bord der „Königin Beatrix“. Die Rückfahrt verlief ruhiger, die Nordsee meinte es gut mit den Mägen…
Unsere Jubiläumsreise endete am Abend des 4. Oktober glücklich in Jena.
Es macht Spaß, in der Welt herumzureisen – deshalb freuen wir uns schon auf das Chorlager in Norwegen 1997.
Georg Haney, Oktober 1996