Jubiläumsreise nach Norddeutschland
40 Jahre – dieser Geburtstag liegt für die Mitglieder des Chores noch in weiter Ferne. Nicht aber für den Chor als Ganzes. Wie zu Jubiläen üblich beschenkten wir uns daher mit einer Konzertreise, die es in sich hatte. Noer hieß das (vorläufige) Ziel und die ganz alten Veteranen raunten schon von den alten Geschichten, die sich beim letzten Besuch dieser Herberge ereigneten, bereits vor über 15 Jahren. Mit entsprechender Erwartungshaltung trafen wir uns also am Sonntag 09.10.2016 pünktlich am Volkshaus um die Reise zu beginnen. Zwei Busse voller Knaben und junger Männer, sowie einige Baustellen auf der Autobahn konnten unsere Busfahrer nicht aus der Ruhe bringen – auch nicht, als die Autobahn plötzlich komplett gesperrt war. Also Umdrehen und auf einer anderen Bundesautobahn weiter gen Norden. Nerven bewahrten dabei auch die ganz neuen Sänger, welche gerade aus dem Vorkurs aufgestiegen waren und ihre erste Fahrt mit dem Chor mitmachten. Im Bus nutzten wir daher die Zeit für Spiele, Musik hören oder einfach zum (aus)schlafen. So erreichten wir am frühen Abend das Schloss Noer in Schleswig-Holstein und staunten erstmal über das prächtige Gebäude. Nachdem Zimmer bezogen und allerlei Nudeln verspeist wurden trafen wir uns nur noch zum gemeinschaftlichen Ankommen – zu Proben hatten wir die nächsten Tage noch genug. Einzig der Männerchor traf sich abends – nachdem die „Kinder“ im Bett waren – im Gewölbekeller des Schlosses um alte und neue Stücke zu proben.
Es folgten aufregende und anstrengende Tage des Probens, des Fussballspielens und des Erkundens der Umgebung. In gerademal zehn Minuten konnte man zum Strand laufen – Badewetter gab es allerdings nicht. Die Proben waren zahlreicher als in sonstigen Chorlagern, was natürlich daran lag, dass wir auf dieser Reise ganze sechs Konzerte innerhalb einer Woche geben würden. Außerdem befanden wir uns im Entstadium der Proben für die Konzertfahrt nach Amiens, welche bereits im November auf dem Programm stand. Genauso fanden die ersten Aufnahmen und Vorbereitungen für die Reise nach Estland im kommenden Jahr statt. Viel zu tun also für die kleinen und großen Sänger, die das aber alles mit Bravour meisterten. Das erste Konzert der Reise führte uns ins nahe Kiel gelegene Preetz. Das buntgemischte Programm aus neueren und älteren geistlichen Chorwerken, sowie Volksweisen deutscher, schwedischer und ukrainischer Herkunft kam gut in der Stadtkirche an. Auch unser Ausflug in die afrikanische Musikwelt (Sijahamba und Shosholoza) durfte natürlich nicht fehlen. Ein guter Einstand also, der in den folgenden Tagen fortgesetzt werden konnte. Auch die zwei (!) Konzerte am Folgetag verliefen sehr gut. In Schönkirchen besuchten wir am Nachmittag den dortigen Jugendchor der Gemeinde und boten eine Kurzfassung unseres Programms, am Abend dann sangen wir das komplette Programm in der St. Nikolai Kirche Kappeln. Diese Doppelbelastung stellte durchaus eine Belastungsprobe dar – zeigte aber auch, dass wir die Nerven und die Kondition dafür hatten. Spätabends in der Herberge angekommen gab es noch einen Gute-Nacht-Snack und dann hieß es „Ab ins Bett!“ – außer für die Überstunden schiebenden Männer. Die probten heimlich an einer russischen Volksweise.
Der nächste Morgen wurde mit viel freier Zeit versehen – der Tag zuvor war nicht spurlos vorrüber gegangen. Ein paar kleine Korrekturproben genügten dem Chorleiterteam um Berit Walter, Stefan Puppe, Malte Klewenow und Martin Kirmse, ansonsten hieß es: Stimme schonen. Das abendliche Konzert in Gettorf erwies sich als das mit der kürzesten Anreise aber dem vermutlich kritischsten Zuhörer. Der ehemalige Knabenchorleiter Michael Pezenburg empfing uns in seiner Heimatgemeinde – passend zum Jubiläum. Wie auch schon bei den vorangegangenen Konzerten durften wir eine Orgelimprovisation erleben. An den Tasten wechselten sich von Konzert zu Konzert Malte Klewenow und Nikolaas Schmeer ab. Das Publikum bedankte sich für diesen abwechslungsreichen Abend mit Applaus und Kollekte. Weitestgehend erschöpft erreichten wir auch nach diesem Konzertabend wieder unseren Stützpunkt in Noer. Das Konzert am Freitag führte uns dann nach Neumünster in eine wundervolle Kirche mit großartiger Orgel. Dieses Konzert sollte kein ganz gewöhnliches bleiben denn unser Stimmbildner Stefan Puppe feierte seine Ehrentag. So erweiterte der Männerchor das Programm um die heimlich geübte russische Volksweise und die Orgelimprovisation – diesmal im Duett – wurde über Themen bekannter Geburtstagslieder geführt. Eine Freude für den Chor und den Beehrten.
Samstagvormittag verabschiedeten wir die Sänger des Nachwuchschores und die Mutanten (und den ein oder anderen Mann, der vergessen hatte seinen Personalausweis einzustecken), die zurück nach Jena fuhren (tragischer Weise mit dem RWE Mannschaftsbus) – die letzte Etappe der Tour war dem Konzertchor vergönnt. Abends wurden wir nach Kiel gefahren, checkten dort auf einer Fähre nach Göteborg ein und fuhren über Nacht nach Schweden. Was für eine Fahrt! Schlafen in engen Vier-Mann-Kabinen, dauerhafter Seegang und natürlich das Schiff (mit allem an Bord, was auf so ein Schiff gehört) auf freier See. Tief bis in die Nacht standen die Männer noch an der Reeling und sangen deutsche, englische und schwedische Männerchöre und konnten sich dabei von begeisterten Passagieren ihr Schwedisch aufbessern. Die Ankunft in Göteborg erfolgte nach ausgiebigem Frühstück mit Rührei und Köttbullar. Auch in Schweden klappte der Transfer vom Hafen zur Kirche wieder problemlos und so konnten wir zum Gottesdienst der deutschen Gemeinde in Göteborg ein paar unserer Lieder vortragen – langsam machten sich aber die kurzen Nächte auch bei den Männern bemerkbar. Im anschließend zum Gottesdienst stattfindenden Kirchenkaffee wurden wir großzügig mit Kuchen, Kaffee und Stullen versorgt und sangen zum Dank noch einige deutsche Volksweisen. Vielen der Gemeindemitglieder gefiel dies außerordentlich gut, was in anschließenden Gesprächen häufig zum Ausdruck gebracht wurde. Unsere Rückfahrt auf der Fähre begann erst am Abend, weshalb wir die Zeit in den Chorfamilien nutzen und Göteborg erkundeten (Geschäfte haben da auch Sonntags offen). Anschließend hieß es wieder eine Nacht auf der Fähre verbringen und Rückfahrt nach Kiel. Knaben und Männern war anzumerken, dass die Anspannung nun doch komplett verfolgen war. Die Jungen durften auf den Kabinen etwas länger als üblich Fernsehen und was der Männerchor in dieser windigen Nacht – wieder an der Reeling – feierte, war das Ende einer wirklich gelungenen Reise. Bemerkenswert ist noch, dass von allen Sängern nur ein einziger leichte Anzeichen von Seekrankheit zeigte. Die Busse holten uns direkt am Hafen von Kiel wieder ab und nach langer, größtenteils verschlafener Fahrt kamen alle Mann wieder heil in Jena an. Mit dabei auch die vielen Geschichten die sich ereigneten – diesmal aber brandaktuell.
Tim Wiezorek